
Christian Develter: Chin-Kunst mit Tiefgang
❂ Sinnliche Meisterwerke, die wahre Geschichten erzählen ❂ Diese zaubert ein Belgier in seinem Loft-Atelier auf die übergroßen, bespannten Leinwände und schon vor einem Jahrzehnt wurde der Künstler mit seiner “Chin-Serie” zum Held der südostasiatischen Kunstszene. Christian Develter pendelt zwischen Thailand und seiner neuen Heimat in Kambodscha hin und her. Dort, etwas außerhalb von Siem Reap, hat er sich mit seinem Lebenspartner und Manager Peter ein Refugium geschaffen, was alles schlägt, was ich bisher an Künstler-Residenzen gesehen habe. Da ich das Duo schon seit vielen Jahren aus Bangkok kenne, gewährten mir die beiden exklusive Einblicke in ihr privates Reich…
“Bilder, die wahre Geschichten erzählen”?
Na ja, auf den ersten Blick sieht man zunächst einmal mehr oder weniger schlichte Illustrationen von bildhübschen Frauengesichtern, deutlich inspiriert vom abstrakten Expressionismus und dem knallig-grellen Pop Art Stil der 60er Jahre.
Intensive Ölfarben dominieren die Bildträger aus feinstem Leinen…
... doch was besonders auffällt: zahlreiche Linien zieren das Antlitz der asiatischen Beauties. “Wie kommt’s…?” frage ich den Malkünstler Christian Develter bei einem Rundgang durch sein Atelier – und erfahre dabei höchst Erstaunliches!
Gesicht-Tattoos der Chin-Frauen
Im tiefsten Nordwesten der Republik der Union Myanmar (vormals Birma oder Burma) befinden sich die Dörfer des Chin-Bergstammes. Die alten Frauen, die bis heute dort leben, tragen im wahrsten Sinne des Wortes “Bilder auf der Haut”, denn einer uralten Tradition folgend wurden deren Gesichter in jungen Jahren mit ganz bestimmten, symbolträchtigen Motiven großflächig tätowiert.
Linien, Punkte, Kreise oder gar Spinnennetz-Muster sind tief in die Haut eingraviert – eine Prozedur, die laut Aussage der Betroffenen im Dorf Mindat “extrem schmerzhaft” war. Hintergrund: Ein Bergstamm sollte sich anhand der Zeichen von einem anderen unterscheiden oder den Familienstand einer Frau anzeigen.
Seit 1960 ist dieses traditionelle Verfahren verboten. Die birmanische Regierung bezeichnete die Praktik als “überholt und barbarisch” und verhängte Strafen – so die Aussage von Ashley South, ein Myanmar-Experte an der Universität Chiang Mai.
Doch über Jahrhunderte hinweg galten die Verzierungen in den Gesichtern der weiblichen Chin als Schönheitssymbol. “Wer nicht tätowiert war, fand keinen Ehemann”, erklärt der französische Fotograf Eric Lafforgue, der für sein Fotoprojekt “Ugly becomes beautiful” mehrere Stammesangehörige ablichtete. “In den kommenden 20 Jahren werden die letzten Frauen mit Gesichtstattoos in Birma gestorben sein” (Zitat Eric Lefforgue. Quelle: Der Spiegel).
Uralte “Tribal Tattoos” modern interpretiert
Im Jahre 2012 reiste Christian Develter ausgiebig durch den Nordwesten von Myanmar und besuchte die indigenen Stämme dieser Region. Inspiriert von den “kunstvollen Gesichtern” der Dorfältesten entstand schließlich seine “Chin Serie”, mit der er in kürzester Zeit auch höchste internationale Anerkennung erntete.
“Der Chin-Stamm mit seinen Gesich-Tätowierungen sind in der Außenwelt relativ unbekannt. Das hat mich sehr fasziniert”, erklärt mir Christian während meines Besuchs in seinem “Warp Studio” in Siem Reap.
“Die Multiplex-Muster wurden seinerzeit mittels spitzen Dornen oder Spießen mit dem farbintensiven Saft einer lokalen Dschungelpflanze sowie einer Mischung aus Asche, Hühnerblut, Ruß und Schweinefett regelrecht in die Haut geschnitten. Über Generationen hinweg waren die Frauen bereit, sich dem Schmerz hinzugeben und ihr Gesicht für diese Kunst als sichtbares Symbol ihres Stammes zu opfern”.
Künstler-Thema: “Chin Urban & Tribal”
“Develters Chin-Gemälde in Öl sollen eine Verschmelzung zwischen Moderne und Vergangenheit darstellen”, so sein Manager Peter.
“Sie zeigen die jungen, perfekt symmetrischen zeitgenössischen Stadtgesichter asiatischer Frauen, die mit den originalen Tattoo-Designs der Chin-Frauen von Myanmar verziert sind”.
Diese gewagte Interpretation wurde von der Kritik und von Sammlern extrem gut aufgenommen, erfahre ich von Jessica Lim – Mitinhaberin der “One Eleven Gallery”. “Develters scharfsinniges Bewusstsein für die Macht der Farbe und seine sorgfältige Betrachtung von Linie, Beleuchtung und Geometrie sind einzigartig. Alle Gemälde haben einen extrem hohen Wiedererkennungswert und sind mittlerweile sogar Kult. Sie hängen nicht nur in Luxushotels wie zum Beispiel der “Belmond Résidence d’Angkor”, sondern auch in vielen Privathäusern und bei Ausstellungen rund um den Erdball.
Exklusiver Agent: “One Eleven Gallery”
Die Werke von Christian Develter, die übrigens nicht nur Ölgemälde und Lithografien der “Chin-Serie” umfassen, sondern auch sinnliche Männer-Motive, Porträts von bekannten Persönlichkeiten (siehe Bildergalerie unten), Accessoires wie Aschenbecher oder Zigarren/Schmuck-Boxen und sogar Kleider-Unikate, sind ausschließlich über die “One Eleven Gallery” in Siem Reap bestellbar.
Die Kunst-Oase ist Siem Reaps erste wirklich internationale Galerie für zeitgenössische Kunst und wird der schnell wachsenden Kunstszene in der Tempelstadt absolut gerecht. “One Eleven” zeigt sowohl eine ständige Sammlung von Develter-Werken als auch wechselnde Ausstellungen mit Bildern von lokalen Künstlern oder Malern auf Durchreise.
Interessanter Nebeneffekt:
Die Galerie-Bar lädt Besucher auch nach den offiziellen Öffnungszeiten zum gemütlichen Stelldichein und Plausch ein. Serviert werden gute Weine und Cocktails. Regelmäßig finden auch verschiedene Veranstaltungen statt – von Kunstworkshops, Foto-Festivals und privaten Veranstaltungen bis hin zu Live-Musikdarbietungen von Gastkünstlern.
© Text: Nathalie Gütermann. Fotos: Nathalie Gütermann (Homestory) / Develter (Chin-Tribe & Intro)
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