
Highlight in Sukhothai: Wat Si Chum
Der Wat Si Chum gilt als einer der geheimnisvollsten Tempel Sukhothais. Er befindet sich im nördlichen Teil des historischen Parks, außerhalb der alten Stadtmauern. Errichtet wurde er Ende des 14. Jahrhunderts unter König Maha Thammaracha II. und ist vor allem bekannt für seinen massiven Mondop, in dem sich eine monumentale Buddha-Statue verbirgt.
Der Wat Si Chum soll einer der eindrucksvollsten Tempel Sukhothais sein? Hhm…! Von Weitem sehen wir lediglich einen massiven, schmucklosen Kubus mit dicken, fensterlosen Mauern. Also nichts, was auf eine heilige Pracht schließen lässt.
Dieses schlichte, würfelförmige Gebäude wirkt von außen fast unspektakulär – zumindest im Vergleich zu den anderen „Wats“, die wir im berühmten Historical Park bestaunt haben. Isoliert steht er da, außerhalb des zentralen Mauerrings, mitten im bewaldeten Park. Doch dann die große Überraschung…
Staunen im Schatten des Giganten
Kurz vor dem Hauptportal bleiben wir wie angewurzelt stehen und denken: „Wow!“ Denn im Innern des Wat Si Chum verbirgt sich die eigentliche Attraktion: eine monumentale, sitzende Buddha-Statue namens Phra Achana (übersetzt: „der Furchtlose“ oder „der Unerschütterliche“).
Durch einen schmalen, vertikalen Spalt in der Vorderwand des Mondops, einem quadratischen Pavillon, lassen sich bereits aus der Ferne die Konturen der gewaltigen Buddha-Statue erkennen. Dieses schlitzartige Entrée wurde übrigens ganz bewusst so konzipiert: Es soll die Illusion erzeugen, dass der gelassene Blick des Buddhas den Besucher schon beim Näherkommen einfängt und auf geheimnisvolle Weise willkommen heißt.
Trotz ihrer imposanten Größe strahlen die sanften Gesichtszüge der Buddha-Statue, die leicht geschlossenen Augen und das subtile Lächeln eine auch für westliche Besucher spürbare spirituelle Kraft und tiefe Ruhe aus. Man wird fast magisch von dieser außergewöhnlichen Skulptur angezogen – für uns ein Gänsehautmoment, der alles Vorherige in den Schatten stellt.
Auf dem nachfolgenden Bild fällt besonders die rechte Hand des Buddhas auf, die fast die Erde berührt. Dies ist ein Symbol für seine Erleuchtung und den Sieg über die Versuchungen des Mara, der im Buddhismus das Prinzip des Todes und des Unheils verkörpert. Die auffallend eleganten, spitz zulaufenden und vergoldeten Finger sind übrigens typisch für den Sukhothai-Stil.
Beim Betreten des Mondops wird man von der schieren Größe der im Bhumisparśa-Mudra sitzenden Statue überwältigt. Nie zuvor habe ich eine derart monumentale Figur gesehen, und ich gebe zu: Im Angesicht dieses 11 Meter breiten und 15 Meter hohen Bildnisses fühle ich mich mit meinen 1,68 Metern kleiner als klein. Allein mein Oberkörper ist fast so groß wie der Fingernagel dieser beeindruckenden Statue…
Die Legende des „Sprechenden Buddhas“
Sehen Sie das Schild „No entry“ auf dem Bild oben? Dahinter verbirgt sich ein extrem schmaler, langer Gang entlang der Mauer, durch den sich einst Gläubige und Mönche nahezu unbemerkt durch den Mondop des Wat Si Chum bewegen konnten. Gerade durch diesen verborgenen Gang wurde eine außergewöhnliche Akustik entdeckt – und so entstand eine berühmte Legende:
Zur Zeit von König Naresuan dem Großen (1555–1605) lagerte das siamesische Heer vor einer entscheidenden Schlacht gegen die burmesische Armee ganz in der Nähe des Tempels. Um die Moral seiner Soldaten zu stärken, ließ der König einen seiner Männer heimlich durch den versteckten Gang hinter die riesige Buddha-Statue klettern. Von dort aus sprach dann dieser zu den versammelten Truppen.
Durch die besondere Schallverstärkung im Tempel hallte die Stimme so durch das Mauerwerk, dass es für die Soldaten klang, als ob Buddha höchstselbst zu ihnen sprach und ihnen Mut zusprach. Dieser psychologische Trick zeigte Wirkung:
Die Krieger glaubten an den „Sprechenden Buddha“, fühlten sich vom Himmel persönlich ermutigt – und zogen mit neuem Selbstvertrauen in die Schlacht.
Heute ist das Betreten des Ganges verboten!
Erfolgreiche Restaurierung
Die Restaurierung des einst völlig überwucherten Tempelkomplexes Wat Si Chum hatte vor allem das Ziel, die durch jahrhundertelange Verwitterung und Verfall entstandenen Bauschäden an der Steinkapelle zu beheben.
Risse im Mauerwerk wurden sorgfältig ausgebessert, und wo immer möglich, kamen originale Baumaterialien zum Einsatz oder wurden mit traditionellen Methoden rekonstruiert. Die Buddha-Statue selbst wurde behutsam von Schmutz und Ablagerungen befreit – stets darauf bedacht, die historische Patina zu bewahren.
Dank der 1988 abgeschlossenen Restaurierungsarbeiten erstrahlt der uralte Wat Si Chum heute wieder in neuem Glanz und ermöglicht Besucherinnen und Besuchern einen authentischen Einblick in die glorreiche Zeit des alten Königreichs Sukhothai. Gerade diese geheimnisvolle, von Geschichte geprägte Atmosphäre macht den Tempel so beliebt – und so begegnet man hier immer wieder auch Schulklassen, die mindestens ebenso beeindruckt sind wie wir!
Weitere Sehenswürdigkeiten am Wat Si Chum
Neben dem berühmten Hauptheiligtum der Tempelanlage lohnt sich auch ein Abstecher zum kleineren Mondop direkt nebenan.
Diese kleinere Anlage besticht ebenfalls durch ihre schlichte Bauweise und ihre majestätische Buddha-Statue. Auch diese Figur ist – ganz im klassischen Sukhothai-Stil – mit sanften Gesichtszügen, eleganter Körperhaltung und dem typischen Flammenornament auf dem Kopf gestaltet.
Etwas östlich davon finden sich die Ruinen einer ehemaligen Versammlungshalle, erkennbar an Säulenfragmenten und drei Podesten, auf denen einst vermutlich weitere Buddha-Statuen standen.
Diese rechteckige Struktur diente einst als Hauptgebäude für Versammlungen und Zeremonien, bevor der monumentale Mondop errichtet wurde. Heute bildet der kleine Viharn einen stillen Vorhof zum beeindruckenden Wat Si Chum.
Unser Fazit
Der Wat Si Chum zählt zu den weniger bekannten, aber absolut lohnenswerten Highlights im Sukhothai Historical Park – nicht zuletzt, weil er etwas abseits liegt. Unser Tipp: Wer Sukhothai besucht, sollte diesen Tempel auf keinen Fall auslassen! Denn kaum ein anderer Ort vereint so viel Geschichte, Mystik und spirituelle Kraft auf so engem Raum.
Gerade dieses ungewöhnlich originelle Bauwerk, die gigantische Statue und die Legende vom „sprechenden Buddha“ bleiben einem definitiv im Gedächtnis und begleiten einen noch lange nach dem Besuch durch das “alte Königreich” von Sukhothai.
© Text & Fotos: Nathalie Gütermann & Jörg Baston
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