
Baumwolle: “Weißes Gold” aus Si Satchanalai
Wer an Thailand denkt, denkt an Thai Seide. Doch tief im Norden des Landes, in der geschichtsträchtigen Provinz Sukhothai, stießen wir auf ein ganz anderes Textilwunder: Baumwolle. Genauer gesagt in Si Satchanalai – einer Region, die nicht nur für ihre prachtvollen Ruinen aus dem alten Siam bekannt ist, sondern auch für ihr Kunsthandwerk. Unsere Bildergalerie zeigt, wie hier in liebevoller Handarbeit das „weiße Gold“ entsteht und zu textilen Unikaten verarbeitet wird.
Auf unserer Entdeckungstour zu lokalen Handwerkskünstlern, die in Si Satchanalai seit Generationen in kleinen Familienbetrieben alte Techniken und Traditionen bewahren, erlebten wir eine echte Überraschung.
Denn neben kunstvoller Keramik und traditionellem Goldschmuck offenbart sich in dieser Kleinstadt, die vor allem für ihren Geschichtspark bekannt ist, noch eine weitere, unbekannte Seite: ihre lebendige Baumwollkultur.
Was viele nicht wissen: Baumwolle wird in Thailand kaum angebaut – und noch seltener verarbeitet. Umso erstaunlicher ist es, dass gerade hier diese kleine aber feine Handwerkskultur überlebt hat, die sich mit Hingabe und Stolz dem Spinnen, Färben und Weben von Baumwolle widmet.
Nachhaltig beeindruckt hat uns auf dieser Reise der Besuch einer Werkstatt, die auch für Besucher geöffnet ist und sogar Workshops im Hause organisiert.
Suntree Thai Weaving Center
Diese Produktionsstätte wurde von der vielfach ausgezeichneten Meisterin Suntree Wichitnak ins Leben gerufen – eine lebende Legende in der Region und vom thailändischen Bildungsministerium offiziell als „Thai Wisdom Teacher“ ausgezeichnet. Und ja – sie ist noch immer präsent.
Mit zurückhaltender Autorität, aber auch mit einem liebevollen Lächeln sorgt die zierliche alte Dame dafür, dass alles seine Ordnung hat. Nicht etwa im Hintergrund, sondern mitten im Geschehen: still, würdevoll und mit einem wachsamen Blick für jedes Detail.
Den operativen Teil hat sie inzwischen an ihre Tochter übergeben. Raveewan Khanadnid begrüßte uns mit herzlicher Offenheit und führte uns durch die verschiedenen Bereiche des Zentrums – vom Textilshop über die offenen Webräume bis hin zu den Mitmach-Workshops.
Vom Strauch auf den Stuhl
Was die Herstellung der Baumwollstoffe im Suntree Thai Weaving Center so besonders macht, ist die Tatsache, dass hier sämtliche Arbeitsschritte noch vor Ort und in traditioneller Handarbeit erfolgen:
Vom behutsamen Pflücken der Baumwolle direkt vom Strauch über das Spinnen und Weben an hölzernen Webstühlen bis hin zum fertigen Tuch. Damit wird ein wertvolles Stück thailändischer Handwerkstradition bewahrt, das andernorts längst verschwunden ist.
Weltweit wird Baumwolle vor allem in Ländern wie Indien, China, den USA oder Brasilien angebaut. Thailand hingegen spielt im globalen Baumwollmarkt nur eine Nebenrolle. Der Anbau ist entsprechend selten, meist regional begrenzt und oft in Familienhand – eben so, wie hier, in Si Satchanalai.
Alles beginnt mit der Ernte: In der Umgebung des Suntree Thai Weaving Centre wird Baumwolle in kleinen Mengen angebaut. Wie gesagt, dies ist eine Seltenheit in Thailand, wo Seide historisch dominiert. Wenn die flauschig weißen Fasern reif sind, werden sie vorsichtig von Hand gepflückt.
Zu sehen, wie aus einem unscheinbaren Baumwollbüschel mit Fingerspitzengefühl und jahrhundertealtem Wissen ein kunstvoller Stoff entsteht, ist schon sehr beeindruckend.
Nach der Ernte folgt das Entkernen. Also das Trennen der Baumwollfasern von den Samenkapseln. Das ist ein mühsamer, aber wichtiger Schritt. Anschließend wird die rohe Baumwolle gekämmt und gesponnen.
Dabei entstehen feine Fäden, die anschließend auf Spulen gewickelt werden – bereit zum Färben oder direkten Weben. Viele Fäden bleiben naturbelassen in Creme- oder Sandtönen…,
… andere wiederum werden mit natürlichen Farben aus Pflanzen, Rinden oder Früchten eingefärbt.
Foto-Tour ins Fadenreich
Kommen Sie jetzt einfach mit uns mit auf unserem visuellen Rundgang durch die Weaving-Werkstatt. Das eigentliche Herzstück der Seiden- oder Baumwoll-Produktion ist das Weben, und das will gelernt sein.
Da kann man nur die Frauen aus den lokalen Dorfgemeinschaften bewundern, die ihr Handwerk mit einer Selbstverständlichkeit beherrschen, die man heute kaum noch findet.
Auf traditionellen Holzwebstühlen – manche davon seit Generationen im Einsatz – entstehen aus den Baumwollfäden kunstvolle Textilien mit charakteristischen Puan-Mustern. Merke: Hinter jedem Stoff steckt nicht nur Technik, sondern auch eine Seele – und eine Botschaft.
Diese Muster folgen einem kulturell überlieferten Rhythmus: Streifen, geometrische Ornamente oder stilisierte Naturmotive. Manche Designs haben sogar symbolische Bedeutung und erzählen Geschichten aus dem Leben der Dorfgemeinschaft.
Oder sie spiegeln den Wandel der Jahreszeiten wider. Immer sind sie zeitlos schön, mal schlicht, mal verspielt, stets mit einer tiefen Verwurzelung in der Kultur Nordthailands.
Die fertigen Stoffe werden entweder zu Sarongs, Schals, Kissenbezügen oder Taschen verarbeitet – oder, im Fall der Marke SUNTRE3, in hübsche, traditionelle Kleidung verwandelt.
So verbindet sich hier Tradition mit Zeitgeist auf besonders stimmige Weise.
Workshops: Hand anlegen erlaubt!
Wer Lust hat, nicht nur zuzuschauen, sondern selbst kreativ zu werden, ist im Suntree Thai Weaving Center genau richtig.
Neben den täglichen Webvorführungen (Live Weaving Demonstration) können Besucher auch an Workshops teilnehmen und eigene kleine Kunstwerke erschaffen. Unter Anleitung erfahrener Kunsthandwerkerinnen entstehen individuelle Stücke wie Schals, Taschentücher, Untersetzer oder textiler Schmuck. Fans von “Do it yourself” können z.B. auf einem kleinen Webrahmen die Grundlagen des traditionellen Thai-Puan-Webens erlernen.
Der Webkurs dauert ca. eine Stunde, kostet 350 Baht inklusive Snack. Danach hat man einfach das gute Gefühl, etwas Eigenes mit seinen Händen geschaffen zu haben. Klar wollte ich im Fadenreich ebenfalls kreativ werden. Dabei wurde mir allerdings schnell klar: Spinnen ist nicht einfach! 🙂
Alternativ kann man im Design-Workshop Schlüsselanhänger oder Ohrringe aus handgewebten Stoffresten und Baumwollgarn gestalten.
Auch hier: 1 Stunde Kreativzeit inklusive Snack für 350 Baht.
Ein schönes Mitbringsel – mit persönlicher Note.
Unser Fazit
Der Besuch im Suntree Thai Weaving Center war für uns ein echtes Highlight! Nicht nur wegen der unglaublichen Herzlichkeit der Besitzerinnen Khun Suntree und ihrer Tochter und Managerin Khun Raweewan. Sondern vor allem wegen der Möglichkeit, eine uralte Handwerkskunst näher kennenzulernen und selbst kreativ zu werden.
Inmitten von Baumwollfäden und Webrahmen entstanden kleine Souvenirs, die für uns viel mehr sind als hübsche Mitbringsel: Sie tragen unsere Handschrift. Und so nahmen wir nicht nur ein Stück Thailand im Gepäck mit nach Hause, sondern auch das gute Gefühl, für einen Moment selbst Teil dieses gelebten Handwerks gewesen zu sein.
Ein Moment, in dem das “weiße Gold von Si Satchanalai” durch unsere Hände glitt – und dabei eine bleibende Verbindung zu diesem besonderen Ort knüpfte. Ganz nach dem Motto: „Hand anlegen und Erinnerungen weben“.
© Text & Fotos: Nathalie Gütermann & Jörg Baston
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