Si Sachanalai: Tempel-Attraktion Wat Phra Prang

Der Wat Phra Si Rattana Mahathat (kurz: Wat Phra Prang) in der Provinz Sukhothai zählt zu den ältesten Tempeln in Si Satchanalai. Da er jedoch außerhalb des Geschichtsparks liegt, bleibt er bei vielen Touristen weitgehend unentdeckt – doch das ist gerade der Clou! Besonders beeindruckend: Die markante Khmer-Architektur gemischt mit Einflüssen aus der Sukhothai- & Ayutthaya-Periode. Ein besonderes Ereignis in der Geschichte des Tempels war der Besuch von König Bhumibol und Königin Sirikit im Jahr 1958. Danach wurde der Tempel zum königlichen Tempel erster Klasse erhoben und steht seitdem unter königlichem Schutz.

Der  Wat Phra Si Rattana Mahathat, den wir im Folgenden nur in seiner Kurzform Wat Phra Prang nennen, befindet sich etwa 2,5 Kilometer östlich der alten Stadtmauer des Si Sachanalai Historical Park. Eingebettet in die historische Stadt Chaliang, die später in Si Satchanalai umgetauft wurde, liegt das Monument auf einer kleinen Halbinsel, die vom Fluss Yom umgeben ist.

Von unserem Refugium, dem herrschaftlichen Gästehaus Baan Chomprang, ist der Wat Phra Prang nur einen Katzensprung entfernt. Über einen “Geheimweg” spazieren wir durch ein Waldstück…

… und erreichen schließlich die alte Eisenbrücke, die uns direkt zum Tempel führt. Diese Gegend ist touristisch wenig erschlossen, obwohl sie zur Zeit der Khmer ein wichtiger militärischer Vorposten war.

„Die Khmer? In Thailand?“, mögen Sie sich jetzt fragen. Nun, im 12. Jahrhundert kontrollierten die Kambodschaner große Teile Nordthailands und errichteten hier einen hinduistischen Tempel mit einem für Kambodscha typischen, himmelhohen Prang.

Der gesamte historische Tempelbezirk ist von den Überresten einer mächtigen Mauer umgeben, die aus massiven Lateritsäulen und -platten besteht und von einem breiten Graben eingefasst wird. Der Turm im Bayon-Stil bildete im späten 12. Jahrhundert das zentrale Heiligtum von Si Satchanalai – und genau diesen wollen wir uns jetzt genauer ansehen.


Das Tor der vier Gesichter

Schon der Haupteingang des Tempels ist beeindruckend!

Das Steintor an der Ostseite der Umfassungsmauer wird von einem Mini-Prang in Form einer Säule mit vier Gesichtern gekrönt, die lächelnd in die vier Himmelsrichtungen blicken. Diese Struktur erinnert uns unweigerlich an Angkor Thom mit seinen berühmten Gesichtstürmen  in der Tempelanlage von Angkor Wat. Schauen Sie hier…

Die Ähnlichkeit ist frappierend, finden Sie nicht? Nun, Angkor Thom – Teil des weltberühmten Tempelkomplexes in Kambodscha -, wurde vom Khmer-König Jayavarman VII. errichtet – etwa zeitgleich mit dem Wat Phra Prang hier in Si Satchanalai.


Tempelherz: Der heilige Prang

Das zentrale Element des Tempels ist der gut erhaltene, maiskolbenförmige, mit Stuck überzogene Tempelturm. Interessant ist hier vor allem die einzigartige Mischung verschiedener architektonischer Stile. Neben den ursprünglichen hinduistischen Khmer-Elementen sind auch Einflüsse aus der Sukhothai- und frühen Ayutthaya-Periode deutlich erkennbar.

Ich kann es mir nicht verkneifen und wage es tatsächlich, die extrem steile Treppe an der Ostseite des Prangs hinaufzuklettern. Doch Vorsicht, hier herrscht Rutschgefahr! Ganz langsam setze ich einen Fuß vor den anderen auf die schmalen, unregelmäßig geformten Stufen und winde mich nach ganz oben…

… bis zu einem fensterlosen Raum, in dem sich einst der Lingam –  eine heilige Darstellung Shivas befand. Die Wände des Raums wurden damals bewusst karg gehalten, um den Fokus auf das zentrale Kultobjekt zu lenken. Heute steht hier nur eine kleine Lotusblüten-Stupa mit einer Buddha-Reliquie. Apropos: Der Begriff “Mahathat”, Teil des vollen Namen des hier beschriebenen Tempels “Wat Phra Si Rattana Mahathat”, bedeutet „heilige Reliquie“. 

Für die einheimischen Buddhisten ist dies ein bedeutender Ort, an dem sie regelmäßig Opfergaben darbringen. Meist jedoch unten im Vorhof des gigantischen Monuments, ohne die steile Treppe hinaufzusteigen.


Die ehemalige Versammlungshalle

Vom oberen Treppenabsatz des zentralen Prangs aus hat man einen tollen Blick auf den monumentalen „Viharn Luang Po“.

Diese Versammlungshalle war einst der zentrale Treffpunkt innerhalb der Tempelanlage. Heute zeugen nur noch ein paar Sockel und die massiven Laterit-Säulen von der einstigen Pracht. Nach der ausgiebigen Besichtigung in luftiger Höhe machen wir uns vom Turm aus wieder auf den Rückweg. Doch das ist leichter gesagt als getan.

Eins steht jedenfalls fest: Wer den Turm erklimmen will, sollte schwindelfrei sein, denn der Abstieg erweist sich als deutlich kniffliger als der Aufstieg.


Der erleuchtete Buddha

Kommen wir zur wichtigsten Sehenswürdigkeit in diesem spekatkulären Tempel. Im hinteren Bereich der ehemaligen Versammlungshalle thront die große, sitzende Buddha-Statue in der Haltung der Erdberührung (Bhūmisparśa-Mudrā). Diese symbolisiert den Moment der Erleuchtung Buddhas.

Wie wir schon mehrfach in unserem Bericht über den Sukhothai Geschichstpark beschrieben haben, ist diese Darstellung des Buddha-Bildnisses typisch für die Sukhothai-Periode.

Charakteristisch sind die eleganten Proportionen, das sanft lächelnde Gesicht und die ruhige, meditative Ausstrahlung der heiligen Statue.


Uralt: Phra That Mutao

Hinter dem Prang steht der Phra That Mutao, eines der ältesten Bauwerke auf der Anlage. Mit seinen abgestuften, achteckigen Ebenen scheint diese Struktur aus der frühesten Phase buddhistischer Präsenz in Chaliang zu stammen.

Die Mon-Dvaravati-Architektur (7. – 11. Jahrhundert n. Chr.) unterscheidet sich deutlich von den späteren Khmer- und Sukhothai-Stilen des Tempelturms nebenan. Obwohl die Spitze des Chedi eingestürzt ist, kamen bei Ausgrabungen Teile einer vergoldeten Spitze zum Vorschein, die einst die Struktur krönte.


Heiliges Geschwister-Paar

Dies ist ein weiterer Bereich des Wat Phra Prang namens „Phra Song Phi Nong“. Dieser Name bedeutet übersetzt „die zwei Geschwister-Buddhas“ und verweist auf die beiden nebeneinander sitzenden Buddha-Statuen, die diesen Teil der Anlage besonders sehenswert machen.

Die beiden Figuren sitzen auf einem gemeinsamen Sockel innerhalb der Ruinen-Anlage, gefertigt aus Stuck und Ziegelsteinen. Vermutlich stammen sie aus der späteren Sukhothai-Periode.


Tradition & Moderne im Einklang

Angrenzend an den historischen Bereich des oben beschriebenen historischen Khmer-Tempels Wat Phra Phrang befindet sich ein moderner thailändischer Tempel: der Wat Phra Si Rattana Mahathat Ratchaworawihan.

Diese aktive buddhistische Tempelanlage wurde unmittelbar neben den historischen Ruinen errichtet und dient heute als Kloster mit einer modernen Ordinationshalle und Mönchsunterkünften. Hier treffen Jahrtausende aufeinander: die alten Ruinen und der moderne Tempel bilden einen faszinierenden Kontrast zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Die opulente blau-goldene Ornamentik und die mächtigen Naga-Figuren – das heilige Schlangensymbol auf den Tempeltreppen – erinnern in ihrer Pracht stellenweise an den Großen Palast in Bangkok.

Hier ein Blick in die prächtige Versammlungshalle der Neuzeit! Heutzutage versammeln sich die hier lebenden Mönche zum täglichen Gebet und den Mahlzeiten neben dem aktiven Kloster.

Die Haltung des goldenen Buddhas im Inneren des Ubosot ist dieselbe wie draußen beim historischen Haupt-Prang. Es ist die Haltung der Erleuchtung. Mit der rechten Hand, die die Erde berührt, symbolisiert die Statue Buddhas Sieg über die Versuchungen und Prüfungen des Dämonenkönigs Mara. 


Thailändisches Tempelfest

Als wir uns auf den Heimweg machen, werden wir plötzlich von sphärischen Klängen umhüllt. Ohne es zu ahnen, sind wir mitten in ein typisches buddhistisches Tempelfest geraten. Solche Feste finden meist an wichtigen Feiertagen statt – zum Beispiel am Visakha Bucha Day, der an die Geburt, Erleuchtung und den Tod Buddhas erinnert.

Die Tempelfeste in Si Satchanalai finden auf dem Gelände vor dem Wat Phra Prang statt und ziehen Menschen aus dem ganzen Dorf sowie den benachbarten Regionen an. Überall laden lokale Essensstände und Märkte mit Handwerkswaren, Kleidung und Amuletten zum Bummeln und Verweilen ein.

Neben den religiösen Aspekten ist das Tempelfest auch ein soziales Ereignis mit traditionellen Musik- und Tanzdarbietungen. Als “Farang” (Ausländer) fühlt man sich wie ein Zaungast in einer für uns doch eher fremdartig anmutenden Filmkulisse. Und so sind wir einfach nur stille Beobachter inmitten dieses lebendigen und zugleich esoterisch wirkenden Spektakels.

Für viele Thais ist ein Tempelfest wesentlich mehr als nur eine „religiöse Party“ mit Musik, Picknick und geselligem Beisammensein. Tatsächlich ist es ein wichtiger Akt der sogenannten Verdienstaneignung, also eine Möglichkeit, positives Karma zu sammeln.

Was für ein Glück wir doch hatten! Zeigt uns doch gerade ein solches Fest, wie tief Religion, Kultur und Alltag in Thailand miteinander verwoben sind. Es ist schon sehr berührend, als Ausländer einen solchen Einblick in die buddhistische Welt der gläubigen Einheimischen zu bekommen.


Unser Fazit

Es gibt Orte, die lassen einen nicht mehr los – und der Wat Phra Prang gehört definitiv dazu. Diese faszinierende Mischung aus khmerischen Wurzeln und thailändischer Kultur hat uns sofort in ihren Bann gezogen.

Die Exkursion zu diesem nahezu unbekannten Tempel in Si Satchanalai war für uns nicht nur eine kulturelle Bereicherung, sondern auch eine Reise zum Nachdenken: über das Zusammenwachsen von jahrhundertealten Traditionen, die Vielfalt der Glaubensrichtungen und die Schönheit des Unerwarteten. Deshalb unser Tipp:

Wenn Sie in der Gegend von Sukhothai sein sollten, dann planen Sie neben dem Geschichtspark von Sukhothai auch unbedingt Si Satachanalai ein. Denn hier, am Wat Phra Prang, kann man sie noch fernab des Touristentrubels in aller Stille erleben: die spirituelle Seele Thailands!


© Text & Fotos: Nathalie Gütermann & Jörg Baston


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Information

Der Eintritt ist kostenlos, denn hier gibt es keinen offiziellen Touristenschalter wir nebenan im Geschichtspark von Si Satchanalai.