Ayutthaya: Deutschland rettet Antiktempel
❂ Restaurierung am berühmten Antiktempel Wat Ratchaburana erfolgreich abgeschlossen! ❂ Das war 2017. Zufrieden blickte der als ‘Steindoktor’ bekannt gewordene deutsche Geologe Prof. Dr. Hans Leisen auf sein vollendetes Werk. Tatsächlich haben er und sein Deutsch-Thailändisches Team ein kleines Wunder vollbracht. Nach mehreren Jahren intensiver Reparaturen an einem der wichtigsten Heiligtümer des alten Siam, erstrahlt der Wat bis heute in seiner ganzen Pracht.
Ich war beim Empfang der DeutschenBotschaft im Jahre 2017 dabei, als die Restaurierungsarbeiten abgeschlossen waren. Und ich war Ende 2023 wieder vor Ort, um mich nach 6 Jahren über den Zustand des Tempels zu informieren. Er sieht immer noch prächtig aus. Dank Prof. Leisen und seinem Team ist er nachhaltig intakt und gerade mit dem Wissen um diese Leistung einen Besuch wert. Hier erzähle ich Ihnen von diesem Werdegang!
“Es ist vollbracht”, flüstert damals eine glückliche Restaurierungsspezialistin aus Thailand. “Das war wirklich ein Mammut-Programm”, verriet sie mir. Im Jahre 2012 hatte das Auswärtige Amt in Thailand ein “Safeguarding Project” ins Leben gerufen, um die von Witterung und Hochwasser stark beschädigte Tempelanlage Wat Ratchaburana zu reparieren und zu konservieren.
Nach erfolgreicher Durchführung der höchst aufwendigen Arbeiten in Ayutthaya, wurde das Projekt am 28. März 2017 von Peter Prügel, dem damaligen deutschen Botschafter in Thailand, offiziell für beendet erklärt.
Bei einem feierlichen Empfang vor dem bedeutenden Antiktempel Wat Ratchaburana trafen sich alle Beteiligten ein letztes Mal: die zahlreichen Handwerker, Verantwortliche des “Departments of Fine Arts”, Mitglieder der deutschen Botschaft in Bangkok sowie das Expertenteam aus Deutschland.
Prof. Leisen* wurde von seiner Ehefrau, Esther von Plehwe-Leisen, begleitet. Die Geologin aus Freiburg war ebenfalls maßgeblich an dem Restaurierungsprojekt beteiligt.
Dank der fünfjährigen Restaurierungs- und Konservierungsarbeiten des deutsch-thailändischen Teams konnten die wichtigsten Elemente des “Wat Ratchaburana” vor dem Verfall gerettet werden. In diesem Bericht gehe ich näher auf das wichtige Kulturgut ein, das im Jahre 1424 auf Veranlassung des Königs Borommaracha II. erbaut wurde.
⇒ UNESCO Weltkulturerbe: Alte Königsstadt Ayutthaya
Jahrhundertflut 2011: Untergang Ayutthayas?
Die prächtigen Stuckdekorationen, Buddha-Statuen, antiken Reliefs und Wandmalereien waren nicht nur dem Zahn der Zeit ausgesetzt. Sondern vor allem den verheerenden Auswirkungen einer Jahrhundertflut gegen Ende des Jahres 2011.
Damals stieg der Wasserpegel des überbordenden Chao Phraya Flusses mitsamt seinen Seitenkanälen und Wasserstraßen auf mehr als einen Meter hoch. Und das über Wochen hinweg. Das Wasser lief einfach nicht mehr ab!
83 Ruinenstätten in Ayutthaya waren überflutet und somit das “Venedig des Nordens” in großer Gefahr. Jahrhunderte alte Tempel waren nur mit Booten befahrbar.
Für Außenstehende schien es schier unmöglich, die stark in Mitleidenschaft gezogenen Bauwerke zu retten. Der berühmte Antiktempel Wat Ratchaburana war besonders betroffen. Denn speziell bei diesem Bauwerk finden sich außergewöhnliche Stuckdekorationen in Bodennähe, die dementsprechend fast einen Monat lang unter Wasser standen.
Stuckrelikte und Wandputze reagieren bei Durchfeuchtung sehr schnell mit Verlust der Haftung und Festigkeit. Und so präsentierte sich den Experten gerade hier eine prekäre Situation. Putz bröckelte, wertvolle alte Statuen und Stuckarbeiten hatten erste tiefe Risse, Steine waren porös.
Auch das Lateritmauerwerk “verfaulte” und verfiel zusehends. Große Teile der Wände waren schwarz, als hätte hier ein Feuer gewütet. Großflächige Lagen fielen ab und waren für immer verloren. Auch waren zahlreiche Ziegel von Pilzbefall betroffen.
All diese Dinge sprachen letztlich für die Auswahl dieses Tempels für das deutsche Hilfsprojekt, um die endgültige Zerstörung aufzuhalten.
In dieser Notlage wandte sich die Abteilung für Kulturerhalt des Auswärtigen Amtes an Prof. Dr. Hans Leisen in Köln, einen Spezialisten für historische Bauten. Er hatte bereits erfolgreich an anderen UNESCO-Weltkulturerbestätten wie Angkor Wat (Kambodscha) und Borobudur in Java (Indonesien) gearbeitet.
Deutschland schickt Experten & Finanzhilfe
Gesagt, getan. Der “Steindoktor” willigte ein, sich auch für den Erhalt des Wat Ratchaburana einzusetzen. Exemplarisch für andere Tempel in Ayutthaya wurde ein Reparations- & Schutzkonzept für Stuck und Putzdekorationen entwickelt, angewendet und getestet.
Damals unterstützte Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle die Rettungsmaßnahmen und versprach finanzielle Hilfe seitens des Auswärtigen Amtes.
In Zusammenarbeit mit dem “Department of Fine Arts”, dem “Ayutthaya Historical Park Office” und der Deutschen Botschaft in Thailand wurde der Wat Ratchaburana im Jahr 2012 dann ganz offiziell als “Konservierungsobjekt” ausgewählt.
Dabei legte das Ehepaar Leisen und ihr deutsches Team während der mehrjährigen Projektlaufzeit besonderen Wert auf die Ausbildung thailändischer Handwerker.
Das erklärte Ziel: Zukünftig sollten Arbeiten an anderen Tempeln ganz eigenständig durchgeführt werden – ohne deutsche Hilfe vor Ort.
Diese Nachhaltigkeitsstrategie erntete Begeisterung und Anerkennung. Schließlich muss auch Zentralthailand während der Monsunzeit immer wieder mit möglichen Hochwasserkatastrophen rechnen, die die beeindruckenden und historisch bedeutenden Antiktempel bedrohen.
Faszinierende Wiederauferstehung eines Welterbes
Hier öffne ich mein Fotoalbum mit den interessantesten Bildern der Restaurierung des Wat Ratchaburana im Herzen des Ruinenparks.
Während meines Besuchs erfuhr ich mehr über die ursprüngliche Planung der Konservierungsmaßnahmen. Kaum eine(r) kann sich vorstellen, was für eine höchst akribische Vorbereitung und systematische Vorgehensweise für eine Restaurierung nötig ist.
Zunächst war die “Verkleidung” ein Problem. Die Arbeiten am Hauptturm erforderten eine extrem große Menge an Gerüstmaterial, das in diesem Ausmaß nicht bei den thailändischen Partnern zur Verfügung
stand. So mussten die nötigen Stangen, Klammern und Gerüstbohlen vor Ort gekauft werden.
Unterdessen hatte das Konservationsteam schon längst mit der “Anamnese” begonnen.
Diese umfasste: exakte Lokalisierung und Vermessung der Schäden, Archivrecherche und detaillierte Fotodokumentation, die Erstellung einer ‘risk map’ und einer Notsicherung bei Einsturzgefahr.
Die “Diagnose & Therapie” umfasste: Entwicklung angepasster Materialien und Techniken, Erprobung an Musterflächen, Umsetzung des Konservierungskonzepts sowie Qualitätskontrolle und Pflegemaßnahmen.
Des Weiteren führte das deutsch-thailändische Team Untersuchungen mittels Ultraschalltechnik durch, die wichtige Information zu Material und Erhaltungszustand lieferten.
Schließlich wurden dem “Patienten” kleine Proben entnommen und die Bausubstanz auf ihre Zusammensetzung, Struktur und Gehalte an löslichen Salzen im Labor untersucht. Doch damit nicht genug: wegen der historischen Bauweise mussten vor Ort in Thailand Produzenten für gebrannten Kalk und Sand-Lieferanten gefunden werden.
Neben den deutschen und thailändischen Facharbeitern waren auch Studenten des Instituts für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaften der FH Köln involviert, da das Projektbudget nicht die ganzjährige Beschäftigung von Experten vor Ort zuließ.
14 Bachelor und Masterstudenten, begleitet von 2 Restauratorinnen, 1 Architekten, 1 Konservierungswissenschaftlerin und dem Projektleiter, waren an der Entwicklung und Durchführung des Projekts beteiligt. Alle Studenten arbeiteten unentgeltlich.
Rettungsmaßnahmen im Detail
Um eine Notsicherung des Ziegelmauerwerks zu erreichen, wird hier eine kalkhaltige Injektion in die von Rissen durchzogenen Mauern eingebracht. Sozusagen eine “Erste Hilfe”-Maßnahme.
Hier auf dem Bild in Nahaufnahme: eine Studentin beim Injizieren von hohl liegenden Stuckapplikationen im Hauptturm.
Auf dem unteren Foto gut zu sehen: eine konservierte Stuckfläche nach Injektion, Rissverfüllung und Sicherung der Stuckränder. Wie man in der Mitte des Mauerwerks gut erkennen kann, hat sich eine Schicht vom Untergrund gelöst. Um dies zu reparieren, wurden am Antiktempel schließlich verschiedene Mörtelsysteme und eine spezielle Kalktechnologie angewendet.
Dünne, abgelöste Schalen werden zunächst mit kleinen Klebepunkten gesichert und so wieder mit dem Untergrund verbunden. Zum Schluss wird alles mit einer Kalkschlämme überzogen, die die fragilen Oberflächen schützt, und auch farblich anpasst. Eine Sisyphusarbeit!
Jeder einzelne Konservierungsschritt muss speziell auf das Objekt zugeschnitten werden, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Und das ist auch voll und ganz gelungen!
Ende gut. Alles gut.
Im Frühjahr 2017 konnten die Gerüste endlich abgebaut werden.
Nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten am Wat Ratchaburana überreichte der deutsche Botschafter in Thailand zusammen mit dem Ehepaar Leisen Urkunden an alle deutschen und thailändischen Mitarbeiter.
Heute sind die Wände vom Pilzbefall gereinigt und vollständig repariert. Auch das einst geschwärzten Mauerwerk sowie die Fabel- und Buddhafiguren im Turm des Antiktempels erstrahlen jetzt wieder in ihrer hellen Originalfarbe. So als wäre nie etwas Schlimmes geschehen.
Deshalb achten Sie genau auf diese Details, wenn Sie irgendwann einmal den Wat Ratachaburana in Ayutthaya besuchen. Jetzt wissen Sie Bescheid!
Wie neu steht er da. Deshalb ist dieser Wat wieder eine der Hauptsehenswürdigkeiten im “Historical Park of Ayutthaya”.
Die Restaurierungs- & Konservierungsmaßnahmen wurden übrigens mit rund 520.000 Euro aus dem Kulturerhaltprogramm des Auswärtigen Amts gefördert. Das hat sich gelohnt, wie man sieht.
Für alle, die diesen Tempel einmal besuchen wollen:
Die Anlage spiegelt einen deutlichen Khmereinfluss wider. Der zentrale Tempelturm (Prang) wird von 4 kleineren, glockenförmigen Türmen (Chedis) umgeben – ein typisches Merkmal von Angkor Wat. Einst waren unter dem Hauptturm immense Goldschätze in einer mehrstöckigen Krypta verborgen. Diese ist bis heute erhalten geblieben und enthält Malereien, die zu den ältesten in Thailand gezählt werden.
Mission erfüllt!
“Es ist geschafft!”, lächelte ein zufriedener Prof. Hans Leisen bei der offiziellen Abschiedszeremonie in Ayutthaya, bei der ich, wie erwähnt, zugegen war.
Und auch das gesamte Team war überglücklich. In mühsamer Handarbeit und Engelsgeduld hatten sie dafür gesorgt, den Verfall des Tempels zu verhindern – oder zumindest zu verzögern.
Dazu kann man nur “Danke” sagen – vor allem auch als Besucher!
Die vollendeten Restaurierungsarbeiten haben in diesem Fall auch eine symbolische Bedeutung. Denn “Wat Ratchaburana” heißt übersetzt so viel wie “Königliche Erfüllung”.
Redaktion: Nathalie Gütermann & Jörg Baston
Fotos: Deutsche Botschaft/GRASP/H.Leisen & Nathalie Gütermann
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